Um vorherzusagen, dass 11 Jahre nach einem verheerenden “Jahrhunderthochwasser” unsere Orte an der Mulde erneut heimgesucht werden, müßte man wohl ein Hellseher sein. Es ist auch Niemandem ein konkreter Vorwurf zu machen, daran Schuld zu sein. Wir alle haben einen kleinen Beitrag durch unsere Eingriffe in die Natur dafür geleistet, dass es letztlich so endet. Und das wird auch nicht das letzte derartige Ereignis gewesen sein, da ist man sich sicher. Die Natur läßt nicht mit sich spassen. Darüber sind sich auch die Verantwortlichen der Stadt Colditz im Klaren. Bauamtsleiter Jürgen Uhlig beschäftigt sich noch immer oder schon wieder mit dieser Thematik, denn das Augusthochwasser von 2002 galt noch längst nicht als abgeschlossen. “Wir haben durch das 2002er Hochwasser viel gelernt und versucht, das was in unserem Entscheidungsspielraum stand, abzuarbeiten”, so Jürgen Uhlig. “Ganz so einfach ist das nicht, denn wir müssen uns an Gesetzgebungen halten, die sowohl auf Landes- oder Bundesebene erlassen wurden. Das hat manche Pläne nicht nur lange hinausgeschoben, teilweise sogar blockiert. Wer als Kommune etwas eigenmächtig entscheidet, muss letztlich auch für die Finanzierung und Instandhaltung geradestehen. Aber vielleicht kommt nun Einiges wieder auf den Plan, um endlich zu einem Abschluss zu gelangen. Wir holen eben die noch nicht zu Ende geführten Maßnahmen wieder aus der Schublade, bringen sie erneut zur Diskussion und Abstimmung.” Verschiedene im Stadtgemunkel kursierende Gerüchte wies Uhlig zurück – einen Baustop oder gar Rückbau von solchen Gebieten wie Am Ufer, Haingasse, Tanndorf, Sermuth usw. wird es nicht geben. Das wäre eine Art Zwangsenteignung, es sei denn, der Bund würde ein solches Gesetz mit entsprechender Regelung der Entschädigung erlassen. Wir als Stadt könnten uns das gar nicht leisten. Verschiedene Gesetzesänderungen sind zwar auf Regierungsebene in Arbeit, aber wie sie aussehen werden, weiß noch niemand. Solchen Gesetzesänderungen gehen auf jeden Fall erst Wirtschaftlichkeitsstudien in punkto Kosten – Nutzen vorraus, und das kann erfahrungsgemäß dauern. Die geplante Schutzmauer rechts der Mulde ( Promenade Richtung Haingasse) muß auch wieder auf den Tisch. Dort macht uns ein unscheinbares Problem Sorgen, der Tiergartenbach. Ehe das Wasser überhaupt von der Muldenseite gefährlich wird, bringt bei einem Starkregen dieses Bächlein derartige Wassermengen, dass sie von den damals bei der Verfüllung des Mühlgrabens verlegten Rohren überhaupt nicht bewältigen werden können. Doch das gleiche Problem hatten wir 2002 in Podelwitz – aus dem Liebes- und Ziegengrund kam enorm viel Wasser. Wir haben in den Jahren danach systematisch begonnen, durch kleine Erdwälle entlang der Bäche eine Art Staustufen zu schaffen. Sie haben 2013 gut funktioniert und Podelwitz weitestgehend vor der rückseitigen Überschwemmung geschützt. Da müssen wir nun auch mit dem Tiergartenbach versuchen, ob es in dieser Art eine Lösung gibt. Die Schadensabwicklung finanzieller Art liegt aber vor allem in den Händen der Versicherungen. Die momentanen Abwicklungsarten sind für die Betroffenen keineswegs Freude erweckend. Doch auch hier werden die Ereignisse neue Möglichkeiten erzwingen, sonst sterben die Orte entlang der Flüsse aus. Um bestehende Realitäten läßt sich auch manchmal nicht einfach herumreden. Das Sportlerheim Sermuth z. B. lag und liegt weiterhin in einem Schwemmgebiet. Es war 2002 schon stark betroffen, blieb 2013 auch nicht verschont und hat vor allem durch die verwüstete Technik im Kellergeschoss einen enormen Schaden. Hier müssen sicher die Eigentümer Entscheidungen treffen, wo das Risiko abgewogen werden muss, wie es künftig weitergeht.
Aber Jürgen Uhlig sieht das Problem nicht nur in den Hochwassern als Folge, sondern mehr in den Veränderungen, die dazu führen. “In den letzten Jahrzehnten hat die Landwirtschaft immer grössere Felder geschaffen. Feldraine wurden abgeschafft und so sind die wirkungsvollen Hindernisse gegen Flächenerosion und Sturzbäche bei Regenschauern beseitigt worden. Wir leben nicht auf dem Flachland, die Feldflächen mit den Monokulturen sind auf hängigem Gelände. Ein schmaler Streifen ab und zu mit schnell wachsenden Gehölzen wie Pappeln bestückt, könnte dem entgegenwirken. Finanzielle Einbussen hätten die Bauern sicher auch nicht, denn selbst das Holz läßt sich heute gut verwerten, aber man muß es eben nur wollen.” So warten wir ab, welche Ergebnisse uns die nächste Zeit diesbezüglich bringen wird. Aussitzen kann man diese Thematik auf keinen Fall. Die Betroffenen werden auch vertsändlicher Weise nicht stillhalten, denn hier geht es um mehr als eine Schönheitskur – es ist für manche Familien die nackte Existenz, die auf dem Spiel steht.