Es ist für die Colditzer Kirchen leider ein etwas ungewohntes Bild geworden. Zu einem Gottesdienst ein volles Haus zu haben, gehört nicht mehr der Normalität an. Der Leipziger Thomanerchor mit seinen 106 Sängern hatte aber zu einer Kostprobe seines Könnens im Rahmen eines Gottesdienstes in die Stadtkirche eingeladen. Er konnte im vergangenen Jahr sein 800jähriges Jubiläum feiern; so alt ist fast die Colditzer Stadtkirche. Während das Gotteshaus nach einigen Umbauten aber noch aus der alten Grundsubstanz besteht, findet im Thomanerchor jedes Jahr ein Austausch der Chorknaben statt – die Einen gehen nach ihrem abgelegten Abitur, neuer Nachwuchs tritt in den Chor ein. Nun schon zum 3. mal weilten die Thomaner eine Woche lang im Schloss Colditz. “Hier sind für uns optimale Bedingungen vorhanden – sehr schöne Räume und Instrumente in der Landesmusikakademie und eine gute Unterbringung und Verpflegung in der angrenzenden Jugendherberge”, so die Einschätzung des Thomaskantors Georg Christoph Biller. “Wir werden, wenn es möglich ist, diese Tradition gern fortsetzen. In dieser Woche finden reichlich Chorproben statt, aber es ist auch eine gute Gelegenheit für die Neulinge, sich gegenseitig kennenzulernen.”
Ein reines Zuckerschlecken ist die Zugehörigkeit zu diesem weltberühmten Knabenchor nicht. Das Wort “Freizeit” wird bei ihnen relativ klein geschrieben. Die Anforderungen sind sehr hoch, denn es geht ja nicht nur schlechthin um das Singen, auch der schulische Stoff muß gepaukt werden, um das Abitur am Ende zu bestehen. Da kommen noch solche Dinge hinzu wie Stimmbruch. Aber den Lohn für ihre Anstrengungen bekommen die Thomaner auf eine andere Art – so viele schöne Reisen im Rahmen ihrer weltweiten Auftritte haben in diesem Alter die wenigsten Kinder erleben dürfen und sie brachten noch schöne Erinnerungen mit nach Hause, die ihnen für ihr ganzes Leben bleiben werden.
In seiner Predigt sprach Pfarrer Andreas Illgen ein uns täglich bedrückendes Thema an. “Da, wo die linke Hand nicht weiß, was die rechte gemacht hat, führt es am Ende nur zu Streit. Die, die Gutes tun, leben nur noch im Verborgenen, während sich die Anderen noch vorn anstellen. So braucht man sich am Ende nicht wundern, warum sich immer mehr Menschen in diese Einsamkeit zurückziehen. Undank ist der Welt Lohn. Diese sollten aber lieber einen Dank bekommen und vielleicht haben sie wenigstens den Dank Gottes, der doch alles zu sehen vermag, schon erhalten. ” Es war eine eindeutige Ermahnung, dass die Gesellschaft es nicht mehr vermag, menschlich miteinander umzugehen. Eine Predigt, die voll das Gesicht von heute vor Augen führt und mahnt, dass es schon 5 vor 12 ist.
Bleiben wir noch ein wenig bei den Thomanern. Unter ihnen war auch der 16jährige Großbothener Arthur Engel. Schon seit seinem 4. Schuljahr ist er, damals in einer Vorklasse mit Test auf Eignung, bei den Thomanern. Während eines Besuches zum Tag der offenen Tür hat er Interesse bekundet, in den Chor einzutreten. Ein Jahr später wurde er aufgenommen und besucht nun inzwischen die 11. Klasse. Das Ende im Chor ist für ihn absehbar, aber sich gänzlich von der Musik zu entfernen, kann er sich nicht vorstellen. Das Cello hat er ja zu Hause. “Ich muss nun erst einmal an meine berufliche Zukunft denken, mir schwebt ein Studium in Richtung Theologie vor. Aber es kann sein, dass ich da erst noch ein freiwilliges soziales Jahr dazwischenschieben muss”, gesteht er. “Mal sehen. Wenn ich aber hier in Leipzig einen Studienplatz fände, könnte ich ja auch im Rahmen des Förderkreises zu den Thomanern die Verbindung aufrecht erhalten.” Darauf können auch seine in Colditz lebenden Großeltern, die Familie Hergt, stolz sein.
Hoffen wir, dass Aller Wünsche in Erfüllung gehen, denn dann könnten wir Colditzer uns im nächsten Jahr wieder auf einen gut besuchten Gottesdienst mit einer derart wunderschönen musikalischen Umrahmung freuen.