Am gestrigen Tag waren die Wähler auch bei uns aufgerufen, ihre Stimme für die Bundestagswahl abzugeben. Nun steht das vorläufige Wahlergebnis fest, kleine Änderungen können sich noch ergeben. Wie sieht es aus; ordnete sich Colditz in das allgemeine Ergebnis im Bund ein oder zeigt sich in der Stadt, dem Landkreis und den Nachbarstädten im LK-L ein völlig anderes Ergebnis?
Es ist unübersehbar; die Ergebnisse unterscheiden sich regional nicht in Kleinigkeiten. Das zutage getretene Verhalten der Wähler hat sich weit von dem der BT-Wahl 2017 entfernt. Als krasser Unterschied sind die Ergebnisse zwischen Ost und West zu erkennen. Die Frage bleibt: was hat dazu geführt?Die Einheit Deutschlands liegt nun 3 Jahrzehnte zurück. Der Aufbau Ost war ein gravierender Eingriff in alle Lebensbereiche der “Ossies”. Auch Colditz war davon hart betroffen; der größte Arbeitgeber, das Porzellanwerk, wurde geschlossen; weit über 1000 Arbeitsplätze gingen verloren. Die Umschulung in andere Bereiche konnten nicht alle berwerkstelligen. Diese Auswirkungen sind für Jene heute deutlicher den je zu spüren; die Rente entspricht nicht der aus den alten Bundesländern. Die Löhne für gleiche Arbeit zwischen Ost und West haben bis jetzt nach rd. 30 Jahren nicht ein annähernd gleiches Niveau erreicht. Alles geht ein Weilchen gut, man hat noch ein Wenig Hoffnung. Aber diese Schraube lässt sich nicht bis in´s Unendliche drehen.
Vor der Wahl habe ich mit vielen Colditzern gesprochen, Den Satz “ich wähle AfD” hörte ich ganz selten. Es war mehr ein “sich Luft machen”. Aus vierler Munde hörte ich auch die Feststellung: “Nach der Wahl wird sich doch für uns sowieso nichts ändern; die da oben machen genauso, wie vorher weiter”. All das sind Äußerungen, die Unzufriedenheit erklären. Eine Revolution wie 1989 wird es nicht geben, aber “da machen wir eben ein Kreuz an anderer Stelle”.
In ihren Wahlprogrammen haben die großen Parteien eine dringende Umstellung der Klimapolitik, der Industrie, der IT-Branche und viele andere Dinge versprochen. Die Frage, wie das alles finanziell berwerkstelligt werden soll, blieb unbeantwortet. Einen Corona-Schuldenberg von 460 Mrd. Euro schieben wir vor uns her; er muss abgebaut werden, doch wie? Unsere Region, eine ländlich Heimat, hat sich in den letzten Jahrzehnten dramatisch nach hinten entwickelt. Den Dörfern fehlen nicht nur die Geschäfte, wie Bäcker, Fleischer, usw., sondern die vor allem im Alter dringend benötigte med. Versorgung ist mit vielen Hürden der Mobilität und der nachbarlichen Hilfe verbunden. Das Landleben von einst wurde vergessen. Eine Erhöhung der Spritpreise, die Umstellung auf E-Autos, die Sanierung der Häuser usw. werden gerade die Alten auf dem Land am härtesten treffen. Unsere Dörfer sterben immer mehr aus.
Die erste Aufforderung, sich dieser Probleme ernsthaft anzunehmen, hat die zukünftige Regierung mit dem Wahlergebnis deutlich zu spüren bekommen. Wie sie darauf reagieren werden, zeigt sich wahrscheinlich erst im nächsten Jahr. Im Städtevergleich des LK-Leipzig steht Colditz mit seiner AfD-Stimmenzahl in keinem guten Licht da. Fast ein Drittel der Wähler machten bei der AfD ihr Kreuz. Es könnte eindeutig als eine “Protestwahl” eingestuft werden.
Auch die Colditzer Kommunalpolitiker sollten sich hier ihre Gedanken machen, da sie die niedrigste Schiene, den Schnittpunkt zu den Einwohnern bilden. Die Vernachlässigung gerade der Alten auf dem Lande wäre rein humanitär nicht tragbar. Sie haben sich durch Jahrzehnte lang geleisteter Arbeit einen angenehmen Feierabend verdient. Das wurde auch in den TV-Wahlsendungen angesprochen, aber wie es umgesetzt und vor allem finanziert werden könnte, ohne die Alten noch mehr zur Kasse zu bitten, blieb unbeantwortet.