Auf der Spur der Ahnen

Französische Gefangene im Schlosshof

Französische Gefangene im Schlosshof

Je älter man selbst wird, um so mehr interessiert einen die eigene Familiengeschichte. In jungen Jahren ist es noch anders. In der vergangenen Woche weilte eine 5-köpfige Familie aus Frankreich in Colditz; drei Generationen wollten einmal die Stätte besuchen, in der René Colet, Vater von Oma Brigitte, 2 Jahre seines Lebens unfreiwillig verbrachte.
Alltag im Oflag IV C

Alltag im Oflag IV C

Während des 2. Weltkrieges wurde Schloss Colditz zum Gefangenenlager für alliierte Offiziere genutzt. Man meinte, es sei absolut ausbruchsicher. Es sollte auch zum Vorzeigeobjekt zur Einhaltung der Genfer Konvention werden.
René Colet als Zahnarzt

René Colet als Zahnarzt

Tochter Brigitte: Hier war mein Vater...

Tochter Brigitte: Hier war mein Vater…

Weit über 1000 km Reiseweg hatte die Familie auf sich genommen, um Colditz einen Besuch abzustatten. Von Mai 1941 bis Juli 1943 war Leutnant Renè Colet im Oflag IV C untergebracht. Im hinteren Hof waren im heute Fürstenhaus genannten Teil die französischen Gefangenen untergebracht. Er, ein ausgebildeter Zahnarzt, wurde als solcher natürlich selbst für die Gefangenen benötigt. Deshalb richtete man ihm in jenem Erdgeschossraum, in dem heute ein kleiner Teil der Schloss- und Keramikgeschichte zu sehen ist, eine Praxis ein. Erhalten geblieben ist davon nichts mehr, doch einige historische Fotos hatte Tochter Brigitte in ihrer Handtasche. Sie belegen, dass sie die richtige Stelle gefunden hatten. Diesen geschichtlich wertvollen Schatz haben wir dem Colditzer Fotografen Johannes Lange zu verdanken, der alles im Bild festhalten durfte und es heimlich auch aufhob. Alle 5 nahmen an einer Führung durch die Räumlichkeiten des Schlosses teil, vom “Weinkeller” über die Schlosskirche, um sich den Fluchttunnelbau anzusehen, den französische Gefangenen durchgeführt hatten. Dann ging es ganz nach oben, um sich den Glider anzuschauen. Für Frau Faust war die Führung nicht ganz einfach, denn französische Gäste sind seltener als britische. Doch die Gäste waren am Ende begeistert; all ihre persönlichen Fragen konnten auch beantwortet werden.
Dass wir jemals an dieser Stelle stehen durften...

Dass wir jemals an dieser Stelle stehen durften…

Brigittes Tasche enthielt auch ein paar Dokumente und Fotos, die bisher noch nicht bekannt waren. Selbst das ein kleines Stück Colditzer Oflag IV C – Geschichte. Was sie sich nicht nehmen lassen wollten, war ein Spaziergang durch die Stadt zu jener Stelle auf die Brücke, von wo aus die in ihrem Nachlass befindliche Nachtaufnahme des Schlosses gemacht worden ist. Extra für sie und mit ihnen nun das Foto von gleicher Stelle.
Der Ort, wo Vater 2 Jahre verweilte

Der Ort, wo Vater 2 Jahre verweilte

Dann ging es vor der Weiterreise schnell in den “Schlosswächter”, um für jeden das passende Mittagessen einnehmen zu können.
Im Juli 1943 wurde René Colet dann in das Oflag X C nach Lübeck verlegt. Den Krieg hat er überstanden, konnte nach dem Krieg wieder in seinem Beruf weiterarbeiten. 1972 verstarb er. Familie Colet äußerte sich sehr zufrieden über die Vorbereitungen ihres Besuches. Alles sollte ja möglichst minutiös zu ihrem Zeitlimit passen, von der Unterkunft, der Schlossführung bis hin zu einem kühlen Bierchen.
Vater unter Kameraden

Vater unter Kameraden


Mit nach Hause nehmen konnten sie ein Stück aufgearbeitete Familiengeschichte. Sie staunten auch, als ich ihnen das Quartier von Kaiser Napoleon Bonaparte im Mai 1813 nach der blutigen Schlacht bei Gersdorf zeigen konnte und das seiner Gegner, der Generäle Yorck und Blücher im Herbst gleichen Jahres, nachdem sich der Kriegsverlauf umgekehrt hatte. Vaterlandsliebe hatte René Colet – in seinen Unterlagen ist eine Einladung der belgischen Offiziere des Oflag IV C; zu Ehren ihres Königs Leopold III. an einem geheimen Gottesdienst in der Schlosskirche teilzunehmen. Ein Familienausflug kann nach mehr als 70 Jahren eben interessant sein.

spiegel

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